BLACK IS BACK

HIGH END AUS DEM SCHWARZWALD.

Plattenspieler aus dem Schwarzwald beherrschten bis in die frühen 1980er den deutschen und europäischen Markt. Das anhaltende Vinyl-Revival sorgt für ein Comeback legendärer Marken – und lässt große Handwerkskunst wiederaufleben.

29. August 2023 / Lesedauer: 10 Minuten
Plattenspieler PE 7070
PE 7070.
© WE Audio Systems

Dual, SABA, Perpetuum Ebner (PE) – Mitte des vorigen Jahrhunderts stand in nahezu jedem deutschen Wohnzimmer ein Plattenspieler dieser legendären Marken. Was alle drei verbindet, ist ihre süddeutsche Heimat: der Schwarzwald. Dank der langen Uhrmachertradition mit feinmechanischem Know-how gesegnet, wurde hier seit Anfang des vorigen Jahrhunderts Phonotechnik von Weltniveau entwickelt und gebaut. Im Fall von Dual und PE sogar in derselben Kleinstadt, St. Georgen.

Als ab den 1970er Jahren fernöstliche Hersteller den Markt mit preisgünstiger Unterhaltungselektronik fluteten, begann der Niedergang der deutschen Phonogeräteindustrie. Viele bekannte Marken verschwanden oder wurden ins Ausland verkauft. Mit dem Aufkommen der CD Anfang der 80er Jahre brachen zudem die Verkaufszahlen von Vinyl massiv ein. Demzufolge schien auch das Schicksal der analogen Abspielgeräte besiegelt – bis in den vergangenen Jahren ein nicht mehr für möglich gehaltener Boom einsetzte. Aus der absoluten Bedeutungslosigkeit kommend ist der Markt seit 2006 ununterbrochen gewachsen. Nachdem 2010 gerade einmal rund 600.000 Schallplatten verkauft wurden, lag der Absatz 2021 bei erstaunlichen 4,5 Millionen Einheiten – Tendenz steigend. Fast 40 Prozent der Deutschen hören inzwischen wieder Vinyl, 12 Prozent tun dies einmal in der Woche. Kein Wunder, dass auch der Absatz von Schallplattenspielern die Talsohle überschritten hat: Rund 120.000 werden in Deutschland mittlerweile wieder pro Jahr verkauft.

120.000 VERKAUFTE PLATTENSPIELER.

 

Ziemlich genau 250 davon entstammen der Manufaktur von Wolfgang Epting in St. Georgen. Der Quereinsteiger erwarb vor gut 10 Jahren die Markenrechte an Perpetuum Ebner. Mit seiner Firma WE Audio Systems knüpft er seither an die Tradition der einstigen Schwarzwälder Phono-Hochburg an und bedient sich dabei des Wissens und Könnens ehemaliger Techniker, Ingenieure und Designer, die seinerzeit bei den ortsansässigen Firmen Dual oder PE beschäftigt waren.

Plattenspieler Revival
Vergangenheit trifft Zukunft: links der legendäre PE 2020 von 1967, rechts ein PE 2020jubilee aus dem Jahr 2020 als Vertreter der zeitgenössischen Modellpalette.
© WE Audio Systems

Rückblende: In St. Georgen arbeiten um das Jahr 1900 die Brüder Christian und Josef Steidinger als Werkzeugmacher für die Uhrenindustrie. Gemeinsam gründen sie 1907 die Firma „Gebrüder Steidinger“, was aber nicht lange gutgeht: schon 1911 verlässt Josef Steidinger das Unternehmen im Streit und macht sich mit der Firma Perpetuum selbstständig. „Eigentlich ist es wie mit den Brüdern Dassler von Adidas und Puma“, sagt Wolfgang Epting. „Wie in Herzogenaurach geht auch in St. Georgen ein Riss durch die Stadt.“ Während die Firma von Christian Steidinger zunächst einen Motor für Grammophone und 1935 dann den ersten Plattenspieler der Marke Dual auf den Markt bringt, entwickelt Josef mit Perpetuum (später Perpetuum-Ebner) Geräte des Namens PE. Beide Unternehmen feiern Erfolge und machen St. Georgen zu einem Zentrum der europäischen Phonoindustrie mit bis zu 3000 Beschäftigten in den 1960er-Jahren. 1971 verkaufen die Nachfahren Josef Steidingers die Firma Perpetuum Ebner an den ungeliebten Konkurrenten Dual, kurz darauf verschwindet die Marke PE vom Markt. Die Marke Dual wechselt in der Folge mehrfach den Besitzer. Heute hat die Dual GmbH ihren Sitz in Bayern.

Der gebürtige St. Georgener Wolfgang Epting, wie eigentlich alle seiner Generation mit Schallplatten aufgewachsen, war immer betrübt, „wenn angesichts des Vinyl-Booms von den neuen Zentren der Phonoindustrie die Rede war und St. Georgen dabei nicht genannt wurde“, sagt er. Da er sich Mitte des vergangenen Jahrzehnts beruflich ohnehin neu orientieren wollte, ging er ins Risiko und erwarb die in Vergessenheit geratenen Markenrechte an Perpetuum Ebner. Nach Feierabend und am Wochenende entwickelte er zusammen mit seiner Frau Regina sowie einem ehemaligen Designer und einem Konstrukteur von Dual, beide längst im Ruhestand, die ersten neuen Modelle: den PE 1010 und den PE 4040. Beide vom Design angelehnt an den PE 2020 aus dem Jahre 1967 – „die letzte Eigenentwicklung unter dem Original-Dach von PE“, sagt Epting. 2015 gründet er seine Firma WE Audio Systems, macht sich selbstständig und bringt die beiden Modelle auf den Markt. Dreierlei erinnert an die originalen PE-Geräte: das hölzerne Gehäuse, die Staubschutzhaube und die Technik, die auf einem sogenannten Subchassis basiert. Dabei sind Antriebseinheit, Plattentellerlager und Tonarm vom Gehäuse über Spiralfedern entkoppelt. „Es ist ein klassischer Retroplattenspieler“, sagt Epting.

Das Besondere an den PE-Plattenspielern ist, dass ein Großteil der rund 80 Komponenten eines Geräts aus der Region stammen. Ein Schreiner aus Schonach, der sein Geld eigentlich mit dem Bau von Kuckucksuhren verdient, fertigt die Holzgehäuse. Die Plattenteller kommen aus Hockenheim, die Leiterplatten aus Villingen, kleinere Drehteile direkt aus St. Georgen. Qualität, die ihren – durchaus fairen – Preis hat. Das Einstiegsmodell PE 1010 ist ab rund 2400 Euro erhältlich. Etwa einen Plattenspieler produziert WE Audio Systems am Tag in reiner Handarbeit, mehr geht nicht. „Schon allein wegen der aufwändigen Qualitätskontrolle“, wie Epting betont. Seine Zielgruppe sind „Menschen, die es lieben, bei einem Glas Wein auf einem hochwertigen Niveau Musik zu hören“. So, wie es Wolfgang Epting selbst gerne tut. „Ich wollte etwas bauen, was ich selbst auch im Wohnzimmer stehen haben möchte“, erklärt er seine Motivation. Das ist ihm gelungen.

Abspielgeschwindigkeit Schallplatte
Abspielgeschwindigkeit: 33 Umdrehungen pro Minute.
© WE Audio Systems

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