HAUSBAU UNTER DRUCK

HÄUSER AUS DEM DRUCKER.

3D-gedruckte Häuser verbinden Design, Funktionalität, niedrige Baukosten und Umweltaspekte nahtlos miteinander. Mit der innovativen Roboter- und Spritztechnik werden bereits ganze Siedlungen errichtet.

29. August 2023 / Lesedauer: 9 Minuten
3D-Druck Häuser
Deutschlands erstes Haus aus dem 3D-Drucker steht in Beckum.
© PERI

Rückblickend wird 2016 vielleicht als der Zeitpunkt gelten, in dem die Zukunft des Bauens begonnen hat: In diesem Jahr wurde das erste voll funktionsfähige, im 3D-Druckverfahren hergestellte Gebäude der Welt eingeweiht. Das 250 Quadratmeter große Hauptbüro der Stiftung Dubai Future Foundation entstand in unglaublich kurzer Zeit: 17 Tage für den Druck, zwei Tage für den Aufbau. Sämtliche Teile einschließlich der Innenarchitektur und -einrichtung kamen aus 36 x 12 x 6 m langen 3D-Druckern, die Materialien wie eine speziell verstärkte Betonmischung, glasfaserverstärkten Gips und faserverstärkten Kunststoff Schicht für Schicht zu den Bauelementen zusammenfügten – passgenau und verschnittfrei, so dass praktisch kein Bauschutt anfiel. Typisch Dubai war damit das Wettrennen eröffnet: Schon 2018 wurde im Emirat das bis dato mit 640 Quadratmetern größte 3D-Druck-Haus der Welt fertiggestellt. Im Jahr darauf begann ein großes Bauunternehmen mit der Planung eines ganzen Wohnviertels von 3D-Druck-Häusern für die Mittel- und Gutverdiener in Dubai. Auch die ersten Ideen für Wolkenkratzer im 3D-Druck-Verfahren entstanden.

NEUE TECHNOLOGIE.

 

Und der Rest der Welt? Der erfindet, entwickelt und druckt seither fleißig mit. Ob in Mexiko, wo 2020 eine ganze Siedlung mit 50 Eigenheimen im 3D-Druck-Verfahren gebaut wurde, in Kalifornien, China, Belgien oder Deutschland: Rund um den Globus werden Gebäude gedruckt und bezogen. Die neue Technologie ist inzwischen erprobt und ausgereift und steht vor dem Durchbruch zur Massenanwendung. Die Weltraumbehörde NASA hat sogar den Auftrag vergeben, Konzepte für eine Mondstation aus dem 3D-Drucker zu entwickeln. Der Mondstaub wird bereits auf seine Eignung für die Betonherstellung analysiert.

3D-Druck Bürogebäude Dubai
Eine Stiftung in Dubai hat 2016 das erste Bürogebäude der Welt aus dem 3D-Drucker gebaut.
© picture alliance

Das Betondruckverfahren, das die Bautechnologie revolutioniert, spart nicht nur Zeit und Geld, sondern ermöglicht auch neue Freiheiten bei der Architektur. So funktioniert es: Im Mittelpunkt stehen große, speziell für die Konstruktion von Gebäuden entwickelte 3D-Drucker. Es existieren unterschiedliche technische Arbeitsprinzipien, beim gängigsten wird Beton in Schichten von mehreren Zentimetern Stärke übereinander gespritzt. Typischerweise werden auf diese Weise zwei bis drei Betonwände erzeugt, die mit verschiedenen Materialien ausgefüllt werden können. Durch den Einsatz von Hohlräumen und Kanälen im Inneren der gedruckten Struktur kann auch Platz für die Installation von Kabeln, Rohren und anderen Komponenten geschaffen werden. Basis des Druckvorgangs ist stets eine digitale Vorlage, die das Modell des Gebäudes enthält. Diese Vorlage wird in den 3D-Drucker geladen, dessen Software den Druckprozess steuert. Der Betrieb eines Druckroboters ist mit nur zwei Beschäftigten durchführbar. Sie sind für den Auf- und Abbau der Anlage verantwortlich, überwachen den Druckprozess und das Nachfüllen der Materialien.

Der 3D-Druck auf der Baustelle beschränkt sich auf die Herstellung der Wände, während Böden, Decken und Dächer konventionell gefertigt werden. Es können hierfür aber auch Fertigteile verwendet werden, die im 3D-Druckverfahren in einer Fabrik produziert und dann auf der Baustelle montiert werden. Ob der Betondrucker über eine Schienenkonstruktion läuft oder ob er von einem Roboterarm bewegt wird: Er kann nahezu beliebige Formen erzeugen – gleich, ob rechtwinklig oder gerundet. Auch Überhänge sind kein Problem. Architekten erhalten damit völlig neue Freiheiten. Hinsichtlich Stabilität, Dauerhaftigkeit und Wärmedämmung erreichen die gedruckten Gebäude ebenfalls Spitzenwerte. Allerdings ist aktuell die Statik noch der limitierende Faktor. Ab einer gewissen Gebäudehöhe ist ein Verbundwerkstoff (beispielsweise Beton und Bewährungsstahl) unausweichlich.

In Deutschland hat sich der Schalungsspezialist PERI aus dem bayerischen Weißenhorn in Kooperation mit dem dänischen Betondruckerhersteller COBOD sowie Heidelberg Zement auf die 3D-Drucktechnologie spezialisiert. Prominentes Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist das erste komplett 3D-gedruckte Haus Deutschlands in der westfälischen Stadt Beckum. Das zweigeschossige Einfamilienhaus steht inmitten einer Wohnsiedlung und bietet rund 160 Quadratmeter Wohnfläche. Es besteht aus dreischaligen Wänden: Die äußere Kammer enthält das Dämmmaterial, die innere wurde mit herkömmlichem Beton ausgegossen. Die Architektur des Hauses zeichnet sich durch eine weiche organische Formgebung aus. Druckbeginn in Beckum war am 17. September 2020, nach nur 100 Stunden stand der Rohbau. Obwohl die Erfahrungen mit 3D-gedruckten Gebäuden überall auf der Welt vielversprechend sind, gibt es immer noch einige Herausforderungen zu überwinden, wie zum Beispiel die Integration von Elektro- und Sanitärsystemen, die Gewährleistung der Sicherheit und Stabilität der Strukturen sowie die Entwicklung von geeigneten Materialien und Drucktechnologien. Insgesamt zeigt der Fortschritt im 3D-Druck von Gebäuden aber gewaltiges Potenzial für die Zukunft des Bauwesens.

3D-Druck Haus
3D-Drucker.
© iStock

Artikel bewerten

Artikel teilen

Artikel kommentieren