MIT DER SONNE DURCH AUSTRALIEN
DIE BRIDGESTONE WORLD SOLAR CHALLENGE.
Tausende Kilometer durchs australische Outback, nur mit Sonnenenergie: Die Bridgestone World Solar Challenge ist das härteste Autorennen für Solarfahrzeuge. Rund 50 studentische Teams aus der ganzen Welt gehen an den Start, gesponsert von Unternehmen aus der Automobilbranche und Stromwirtschaft. Die Teams legen die Strecke von Darwin im Norden nach Adelaide an der Südküste auf öffentlichen Straßen zurück – in einem solarbetriebenen Fahrzeug, das sie selbst entworfen, konstruiert und gebaut haben. Entscheidend für den Erfolg ist neben hervorragender Entwicklungsarbeit die optimale Nutzung der vorhandenen Sonnenenergie.
TAUSENDE KILOMETER NUR MIT SONNENENERGIE.
Die Wurzeln dieser größten und prestigeträchtigsten Solarherausforderung der Welt reichen über 40 Jahre zurück. 1982 gelang es Hans Tholstrup und Larry Perkins, in ihrem selbstgebauten Solarauto „Quiet Achiever“ Australien von West nach Ost zu durchqueren. Inspiriert von dieser Leistung und seiner Vision eines nachhaltigen Individualverkehrs, entwickelte Tholstrup die Idee eines weltweiten Wettbewerbs sonnenbetriebener Fahrzeuge. Mit Hilfe der South Australian Tourism Commission als erstem Sponsor gelang ihm schließlich 1987 die Organisation der ersten World Solar Challenge. Zunächst im 3-Jahres-Rhythmus veranstaltet, findet die WSC seit 1999 alle zwei Jahre statt. Gestartet wird in drei Fahrzeugkategorien, wobei in den einzelnen Klassen jeweils Auflagen bezüglich Solarpanelgröße, Minimalmaßen, Batteriekapazität, Straßentauglichkeit und anderer Kriterien erfüllt werden müssen. Für das bislang letzte Rennen 2019 – die Challenge 2021 wurde coronabedingt abgesagt – meldete sich die Rekordzahl von 53 Teams aus 24 Ländern an, ein globales Publikum von mehr als 25 Millionen Menschen verfolgte das Event. Die Veranstaltung führt zu Industriepartnerschaften in den Bereichen Energie, Automobil, Technik, Finanzen, Materialwissenschaften und IT. Viele Teilnehmer der Bridgestone World Solar Challenge haben im Anschluss Aufgaben bei einigen der weltweit führenden Unternehmen in den Bereichen Technik, Automobil und nachhaltiger Transport übernommen. Auch die 16. Auflage vom 22. – 27. Oktober 2023 ist wieder ein Schaufenster für die Entwicklung fortschrittlicher Fahrzeugtechnologie und fördert Alternativen zu herkömmlichen Fahrzeugmotoren.
Die Regeln des Wettbewerbs sind im Prinzip ganz einfach, haben es aber in sich. Die Aufgabe der Rennställe besteht darin, ein Auto zu bauen, dass allein mit Hilfe der Sonnenkraft von Darwin bis nach Adelaide fahren kann. Dies entspricht einer Strecke von gut 3.000 Kilometern, also so viel, wie wenn man Deutschland dreimal von Nord nach Süd durchqueren würde. Dafür steht den Teams eine Woche zur Verfügung, während der sie sich vollkommen autark versorgen müssen. Nach der Ankunft in Darwin sind zunächst der Zoll, die technische Abnahme, Sicherheitsinspektionen und die Einweisung in die Veranstaltung zu absolvieren. Dann beginnt die Reise quer durch den Kontinent. Sobald die Teams Darwin verlassen haben, müssen sie so weit wie möglich fahren, bis sie um 17 Uhr ihr Lager in der Wüste aufschlagen, wo auch immer sie sich gerade befinden. Unmittelbar nach dem Anhalten ist es üblich, das Solarpanel bis zum Einbruch der Dunkelheit zur Sonne hin auszurichten, um die Fahrzeugbatterie weiterzuladen und bei der Weiterfahrt am kommenden Morgen um 8 Uhr einen möglichst hohen Akkustand zu haben. Der Akku selbst speist sich während der Fahrt allein aus den dann meist waagerecht gestellten Panels sowie durch Rekuperation. Als Energiespeicher ist eine Batterie an Bord, die eine maximale Kapazität von nur wenigen Kilowattstunden besitzen darf. Während der Reise gibt es mehrere obligatorische Kontrollpunkte, an denen die Beobachter ausgetauscht werden und die Teammanager sich mit den neuesten Informationen über das Renngeschehen versorgen können. An den Kontrollpunkten können die Teams nur die grundlegendsten Wartungsarbeiten durchführen: Check und Wartung des Reifendrucks sowie Reinigung des Fahrzeugs von Verschmutzungen. Unterwegs wird das Rennen in fast allen Ortschaften für 30 Minuten unterbrochen, was logistischen Zwecken und den Medien dient. Während Journalisten filmen, fotografieren und Fragen stellen, können die Teams die Fahrer wechseln und Verpflegung besorgen. Jedes Team wird von einem Funktionär der World Solar Challenge begleitet, der die Einhaltung der Regeln überwacht, unter anderem den Fahrergewichtsausgleich, sowie die Beachtung des Zeitfensters kontrolliert.
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Die optimale Fahrgeschwindigkeit entscheidet
Welche Geschwindigkeit auf dem 2.720 km langen Stuart Highway, der Australien mittig durchquert, energetisch ideal ist, müssen die Rennstrategen der Teams während einer Etappe immer wieder neu kalkulieren. Das Telemetriesystem liefert dazu aus dem Solarfahrzeug die aktuellen Verbrauchs- und Ertragswerte. In die Bestimmung der möglichst optimalen Fahrgeschwindigkeit fließen zudem die Wetterprognose, das Streckenprofil und der Batteriestand ein. Daneben gilt es, die gesetzlichen Verkehrsregeln zu beachten, samt Geschwindigkeitsbeschränkung auf 130 km/h im Norden und 110 km/h im Süden. Naturgemäß benötigt man zur Fahrt bei niedrigerem Sonnenstand am Morgen und am Abend meist zusätzliche Energie aus der Batterie, während bei hochstehender Mittagssonne und guten Wetterbedingungen nicht benötigter Solarstrom zum Nachladen der Batterie eingesetzt werden kann. Den noch immer gültigen Streckenrekord erzielte das Brunel Solar Team der Universität Delft bereits 2005. Es benötigte für die Strecke von 3021 Kilometern 29 Stunden und 11 Minuten bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 102,75 km/h. Nicht immer entscheidet jedoch die Geschwindigkeit allein über den Sieg: In der auf Alltagstauglichkeit ausgerichteten Cruiser-Klasse werden zusätzlich die Personenkilometer berücksichtigt, also wie viele Passagiere mitgenommen wurden. Ein Jurorengremium in Adelaide entscheidet außerdem, wie alltagstauglich die vorgestellten Fahrzeuge wirklich sind. Eine Formel mit entsprechenden Gewichtungsfaktoren ergibt dann den Sieger, wobei die Geschwindigkeit den größten Einfluss auf Sieg oder Niederlage hat.
Einer der erfolgreichsten deutschen Teilnehmer „Down Under“ ist das Team Sonnenwagen Aachen – ein studentisches Projekt der RWTH Aachen University und FH Aachen, das sich auf die Entwicklung und den Bau von solarbetriebenen Elektrofahrzeugen spezialisiert hat. Das Team wurde im Jahr 2015 gegründet und hat seitdem erfolgreich an internationalen Solarcar-Rennen wie der Bridgestone World Solar Challenge, der iLumen European Solar Challenge, der Italian Solar Challenge und der Solar Challenge Morocco teilgenommen. Der „Sonnenwagen“ des Teams ist ein futuristisches Elektrofahrzeug, das von einer Kombination aus Solarzellen und einem Batteriesystem angetrieben wird. Das Ziel des Teams ist es, die Grenzen der Effizienz und Nachhaltigkeit von Elektrofahrzeugen zu erweitern und das Bewusstsein für erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit zu fördern. Das Team besteht aus etwa 50 engagierten Studenten aus verschiedenen Fachrichtungen, die in verschiedenen Abteilungen wie Aerodynamik, Elektrotechnik, Mechanik und Business tätig sind. Das Projekt bietet den Studierenden die Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln und ihr Wissen in einem realen Umfeld anzuwenden.
Trotz Windböe auf Platz 6
Bei der World Solar Challenge 2019 trat das Team aus Aachen mit dem „Covestro Sonnenwagen“ an, welcher im windschnittigen Bullet Design konzipiert ist. Der Nachfolger des 2017 entstandenen ersten Sonnenwagens ist mit weltraumtauglichen Galliumarsenid-Solarzellen ausgestattet, die normalerweise in Satelliten eingesetzt werden. Die insgesamt 890 Zellen erzeugen einen Ertrag von bis zu 1 kW bei einem Wirkungsgrad von 34% und bedecken eine Fläche von 2,6 Quadratmetern. Mit der 5 kWh-Batterie kann der Sonnenwagen 500 km bei 90 km/h zurücklegen. Der speziell entwickelte Axialflussmotor erzeugt eine Nennleistung von 3 kW. Neben der Hightech-Photovoltaik überzeugt beim 164 kg leichten Rennwagen die ausgefeilte Aerodynamik und eine clevere Allradlenkung. Durch sie lässt sich der Sonnenwagen optimal auf die Windrichtung ausrichten, dank geschlossener Carbonfelgen werden zudem zusätzliche Luftverwirbelungen im Innenraum verhindert. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Höchstgeschwindigkeit von 144 km/h.
Team Sonnenwagen fuhr 2019 über das gesamte Rennen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 71,8 km/h. Die ersten drei Renntage liefen dabei sehr gut für die junge Crew, die bis dahin noch den fünften Patz verteidigen konnte. Am vierten Renntag wurde der Sonnenwagen von einer Windböe mitgerissen und überschlug sich mehrmals, bevor er am Straßenrand zum Stehen kam. Der Fahrer blieb unverletzt. Die angehenden Ingenieure verschafften sich einen Überblick über die Lage und der Rennwagen konnte mit Hilfe einer mobilen Werkstatt im Schutze des Sandsturmes wieder fahrtüchtig gemacht werden. So wurde ein Wiedereinstieg ins Rennen mit nur wenig Zeitverlust ermöglicht. Am siebten Renntag überquerte das deutsche Team als hervorragender Sechster die Ziellinie. Bei der World Solar Challenge 2023 geht das ambitionierte Team nun mit dem „Enkel“ des 2019er-Modells an den Start: Der „Sonnenwagen 4“ befindet sich seit Januar dieses Jahres im Bau – und wird die Grenzen des technologisch Machbaren erneut verschieben, da sind sich die Solartüftler aus Aachen sicher.
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