Seilbahn Zugspitze. Eine Bergbahn der Superlative.

Spektakulärer kann man 1.945,25 m Höhenunterschied nicht überwinden: Seit dem 21. Dezember 2017 erschließt die topmoderne Seilbahn Zugspitze den höchsten Berg Deutschlands. Sie bietet dabei nicht nur ein Höchstmaß an Komfort, sondern bricht auch noch drei technische Weltrekorde.

07. Oktober 2019 / Lesedauer: 15 Minuten
Seilbahn Zugspitze
Das Ergebnis Deutschlands höchster Baustelle – die Seilbahn Zugspitze.
© Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG / Max Prechtel

Insgesamt sechs Jahre Planung und Bauarbeiten, teils unter widrigsten Bedingungen auf knapp 3.000 m Höhe, stecken in diesem Projekt der Superlative, das nicht nur für die Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG, sondern für die gesamte, vorwiegend touristisch geprägte Region eine gigantische Investition in die Zukunft darstellt. Der große Andrang auf die Zugspitze – pro Jahr sind es mehr als eine halbe Million Besucher – war ein zentraler Grund für den Ersatz der alten, 1963 eröffneten Eibsee-Seilbahn. Während die im Frühjahr 2017 stillgelegte Bahn maximal 240 Gäste pro Stunde befördern konnte, schafft die neue bis zu 580 Gipfelstürmer. Die in der Hauptsaison nicht selten mehrstündigen Wartezeiten gehören damit der Vergangenheit an.

Die neue Seilbahn Zugspitze ist wie ihre Vorgängerin eine Pendelbahn. Damit hat es sich aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten, denn die technischen Eckdaten und die Leistungen während der Bauphase suchen ihresgleichen. Die neue Bahn hat, wie schon die Eibsee-Bahn, den weltweit größten Höhenunterschied in einer Sektion von 1.945 m. Anders als diese besitzt sie aber nur noch eine Seilbahnstütze, die mit 127 m weltweit die höchste Pendelbahnstütze in Stahlbauweise und in Europa die höchste Seilbahnstütze ist. Allein für den 420 t schweren Stützpfeiler mussten 110 Teile in 18 Lkw-Ladungen über Forststraßen herantransportiert werden. Bei einer schrägen Länge der Seilbahn von 4.467 m folgt daraus das mit 3.213 m derzeit längste Spannfeld aller Seilbahnen weltweit.

Die beiden bodentief verglasten Großraumkabinen bieten jeweils Platz für bis zu 120 Personen. Während der zehnminütigen Fahrt zum Gipfel können die Fahrgäste unter anderem den spektakulären Panoramablick auf den malerischen Eibsee, die Waxensteine und die Alpspitze genießen.

Seilbahn Zugspitze
Die Bergstation der Seilbahn beherbergt 300 m Reserveseil.
© Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG

580 GIPFELSTÜRMER/STD. 1.945 M HÖHENUNTERSCHIED. 360°-PANORAMABLICK. 4.900 M SEILLÄNGE.

Die integrierte Scheibenheizung ermöglicht selbst bei schlechtem Wetter ungetrübte Sicht und bei klarem Himmel reicht der Blick sogar bis weit über München hinaus. Dabei sind die beiden Kabinen mit ihrem edlen, dezenten Design selbst ein echter Hingucker. Sie haben ein Leergewicht von je 4,2 t, ohne Gehänge und Rollenbatterien, die jeweils rund 7 Tonnen wiegen. Jede der beiden Kabinen rollt pro Tragseil auf 12 Rollen, also insgesamt auf 24 Rollen. Die von Fatzer in Romanshorn hergestellten Tragseile wiegen jeweils 153 t und haben einen Durchmesser von 72 mm. Im Seilkern befindet sich jeweils eine Glasfaserleitung für die Datenübertragung von der Tal- zur Bergstation. 210 Einzeldrähte sind in einem Seil eingearbeitet. Die Mindestbruchkraft beträgt 5.960 kN, die theoretische Bruchlast 6.772 kN, das entspricht ca. 690 t. Die vollverschlossenen Seile sind, anders als üblich, sowohl in der Tal- als auch in der Bergstation fest abgespannt. In beiden Stationen sind sie um massive, in das Stationsgebäude einbetonierte Poller mit mehreren Metern Durchmesser geschlungen. In der Bergstation sind sie jeweils mit einer Seilhaspel kombiniert, an der die Seilreserve für zukünftige Verschiebungen der Tragseile gelagert ist. Denn um die Lebensdauer zu verlängern, sind die Seile mit einer Länge von ca. 4.900 m über 400 m länger als die Strecke. Neben der erhöhten Länge durch die Umwicklungen der Tragseilanker stehen also etwa 300 m Reserve bereit, die sich in der Bergstation befinden. Etwa alle 10 bis 12 Jahre werden von dieser Reserve ca. 40 m abgewickelt und das Tragseil wird nach unten verschoben. Dadurch rutschen die Tragseilbereiche, die sich jetzt auf den Seilschuhen in der Bergstation, an der Stütze oder in der Talstation befinden, in die freien Seilfelder, wo die Beanspruchung deutlich niedriger als auf den Seilschuhen ist. Andere Tragseilbereiche, die sich vorher im freien Seilfeld befanden, werden dann auf den Seilschuhen platziert. Durch die gleichmäßigere Belastung der Tragseilbereiche kann die Lebensdauer – je nach Betriebsprogramm – auf ca. 50 bis 70 Jahre verlängert werden. Jedes der Seile wurde auf zwei Kabeltrommeln von zwei durch eine lange Stange verbundenen Spezialtiefladern zur Talstation gefahren. Durch diese Lastverteilung wurde ein problemloser Transport ohne Verstärkung von Brücken und weitgehend ohne Straßensperrungen im laufenden Verkehr möglich.

Der etwas andere Spatenstich auf knapp 3.000 m Höhe.
Bau der Seilbahn

Ein oberes Zugseil mit einem Durchmesser von 47 mm verbindet die Laufwerke der beiden Kabinen. Ein unteres Seil mit 41 mm Durchmesser verbindet sie talseitig und ist mit den zwei Antriebsmotoren in der Talstation verbunden. Anders als die Tragseile müssen die Zugseile – je nach Betriebsprogramm der Seilbahn – etwa alle 10 bis 12 Jahre komplett ausgetauscht werden. Durchschnittlich fährt die Seilbahn Zugspitze pro Tag ca. 30 bis 35 Mal. Abzüglich der Revisionszeiten ist sie im Jahr an ca. 350 Tagen in Betrieb, sodass pro Kalenderjahr etwa 10.500 bis 12.000 Fahrten erwartet werden. Da die Stromversorgung auf dem Gipfel einen höheren Aufwand erfordert als im Tal, befindet sich der Antrieb in der Talstation, obwohl seilbahntechnisch gesehen der Antrieb in der Bergstation vorteilhafter wäre. Um die notwendige Treibfähigkeit zu erreichen, fiel die Wahl auf einen Doppelantrieb (2 x 900 kW) mit zwei Antriebsscheiben. Da ein Umschlingungswinkel von 180° aufgrund der zu geringen Treibfähigkeit in der Talstation nicht ausreicht, wird das Zugseil nach dem Verlauf über die Antriebsscheibe 1 zunächst zur Antriebsscheibe 2 geführt, um nach der Rückführung zur Antriebsscheibe 1 erneut zur Antriebsscheibe 2 geleitet zu werden. Dadurch beträgt der Umschlingungswinkel über beide Antriebsscheiben zusammen insgesamt 540° (90 + 180 +180 + 90). Diese Maßnahme stellt sicher, dass die notwendige Treibfähigkeit in der Talstation erreicht wird. Grundsätzlich sind im Normalbetrieb beide Antriebseinheiten im Einsatz, wobei jeder der beiden Antriebe etwa die Hälfte der Betriebsarbeit übernimmt. Fällt einer der beiden Antriebe aus, ist ein Weiterbetrieb der Bahn mit reduzierter Nutzlast möglich. Erst nach einem gleichzeitigen Ausfall beider Hauptantriebe kommen die Notantriebe zum Einsatz. Die Seilbahn ist, sofern sich beide Kabinen im freien Seilfeld befinden, mit 10,6 m/s etwas schneller als die alte. Da der Seilradius aber an der Stütze nur 26 m beträgt, muss bei der Stützenüberfahrt die Geschwindigkeit auf 8,5 m/s abgeregelt werden. Die Stütze befindet sich nicht auf der Streckenmitte, somit muss pro Fahrt zweimal die Geschwindigkeit verringert werden. Die alte Eibsee-Seilbahn durfte hingegen über die gesamte Streckenlänge – also auch im Stützenbereich – mit 10 m/s betrieben werden.

Genauso außergewöhnlich wie das fertige Bauwerk gestaltete sich bereits die Baustelle auf dem höchsten Gipfel Deutschlands. Unberechenbares Wetter, die Höhenlage und jede Menge logistische Herausforderungen verlangten den beteiligten Unternehmen alles ab. Dazu kam extremer Platzmangel, zum Beispiel für den Baukran. Er konnte letztlich auf 2.950 m errichtet werden und überragte mit seinem Ausleger das auf 2.962 m Höhe stehende goldene Gipfelkreuz um 13 m. Der Kran war die zentrale Drehscheibe, um Beton, Stahl oder Glas auf der Baustelle zu verteilen. Für den Nachschub sorgte dabei eine parallel zur neuen Trasse verlaufende Materialseilbahn.

 

400 ALPENGIPFEL IN DEUTSCHLAND, DER SCHWEIZ, ÖSTERREICH UND ITALIEN.

Wandern
Wanderer gelangen dank der Bayerischen Zugspitzbahn in eine atemberaubende Kulisse.
© Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG/fendstudios.com

Wer oben an der kühn gestalteten Bergstation ankommt, merkt sofort, dass sich all diese Mühen gelohnt haben. Drei Gästeebenen ermöglichen den Zugang zur Gletscherbahn, zur gastronomischen Infrastruktur und zur Gipfelterrasse mit sagenhaftem 360°-Rundumblick. 400 Alpengipfel sind von der Panorama-Terrasse aus zu sehen, der Blick schweift über die Gipfel von vier Ländern – neben Deutschland auch Österreich, die Schweiz und Italien. Mit der Seilbahn Zugspitze ist die Vision einer neuen Seilbahn auf Deutschlands höchstem Gipfel wahr geworden – sie wird nun für viele Jahrzehnte die höchsten Ansprüche von bergbegeisterten Menschen erfüllen.

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